Liebe Unterstützer*innen!
Als erstes eine große Entschuldigung und ein großer Dank! In den letzten Wochen bin ich leider noch sehr stark in das Abschließen von Projekten und Arbeitsaufträgen eingebunden gewesen, was mich zeitlich mehr beschäftigte, als ich eingeplant hatte. So kam ich noch nicht dazu, in dem geplanten Umfang mit den Aktivitäten des Aufarbeitens anzufangen, wie ich es mir gewünscht hatte. Trotzdem gab es schon sehr gute Starts in allen mir wichtigen Bereichen, doch davon weiter unten mehr. So möchte ich mich entschuldigen, dass ich erst jetzt mit meiner Aufarbeitungszeit in vollem Umfang loslege (und damit auch mit den Newslettern) – und dafür wird mich die finanzielle Unterstützung dann länger tragen 😉
Und hierfür mein großer Dank: Bislang sind schon über 8.500 Euro zusammen gekommen, die mich die kommenden sechs Monate finanziell tragen werden! Dabei gab es von kleinen und großen Geldspenden auch kreative Ideen, wie ein Solidaritäts-Yoga-Wochenende oder Spenden von besonderen Arbeitshonoraren! D A N K E !
Hier will ich nun kurz beschreiben, was mich die letzten Wochen in Richtung #Aufarbeiten umgetrieben hat. Dabei werde ich die Infos in die gleichen Bereiche einteilen, wie ich sie mir bei meinem Unterstützungsaufruf vorgenommen habe:
#1 Istanbul10: Taner Kılıç ist frei!
Der Ehrenvorsitzende von amnesty international in der Türkei wurde am 15. August endlich freigelassen! Taner war einen Monat vor uns Istanbul10 unter absurden Anschuldigungen festgenommen worden. Später wurde sein Fall mit unserem Fall rechtswidrig zusammengelegt. Als wir Istanbul10 letzten Oktober freikamen, musste er im Gefängnis in Izmir bleiben. Obwohl das Gericht bei der Verhandlung am 31. März 2018 eine erste Freilassungsanordnung verfügt hatte, musst er nach Widerspruch der Staatsanwaltschaft in Haft bleiben. Aber auch bei ihm heißt “freigelassen ist nicht freigesprochen”, so geht unser gemeinsamer Prozess am 7. November 2018 weiter. Auch hierzu laufen die Vorbereitungen mit unseren Anwält*innen an. Auch verfolge ich gespannt die Neben- und Beschwerdeverfahren, die unsere Anwält*innen inzwischen bis zum türkischen Verfassungsgericht und auch vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof getragen haben. Hier geht es unter anderem um die Unrechtmäßigkeiten unserer Haftbedingungen, Entschädigungen und auch Presseverleumdungen.
#2 Preparing for Prison Guide: Erster Workshop in der KURVE & neue Mitmacher*innen
Während der KURVE-Partnerfachtagung im August stellte ich die bisherigen Ideen den ungefähr 20 Interessierten während einer „Open Space Session“ vor. Positives Interesse und der Willen zum Mitwirken waren deutlich spürbar bei den Teilnehmer*innen aus der Ukraine, Mazedonien, Palästina, Myanmar und Deutschland. Viele berichteten von eigenen Erfahrungen, Familienangehörige und Freund*innen im Gefängnis begleitet zu haben. Auch wurden Kontakte hergestellt zu Organisationen, die zu diesem Thema arbeiten und eventuell schon ähnliches veröffentlicht haben oder dazu beitragen können. Bei Interesse könnt Ihr gerne die Mitschrift (Dank an Vero!!!) aus der Open-Space-Session als PDF erhalten.
Hier gehts zum Blog-Artikel
Auch hatte ich mehrere Treffen mit Interessierten, die selbst eigene Erfahrungen haben oder die ihrer Familien weitergeben wollen. Zusätzlich haben unsere türkischen Anwälte großes Interesse, einen Teil für Anwält*innen hinzuzufügen.
#3 Aufarbeiten des Gelernten von uns Istanbul10 und des Krisenteams: Erster Workshop
Ende August hatten wir ein eintägiges Treffen mit einem Großteil des Krisenteams vom letzten Jahr. Dabei ging es zum einen um den vor allem emotionalen Rückblick auf die Krisenzeit und das Arbeiten an den Beziehungen, die unter dem Stress der Krise gelitten hatten. Der zweite Teil bezog sich auf die verschiedenen Lernmomente, die sich während und der nach der Krise ergaben und auch noch ergeben. Eine erste chronologische Sammlung dieser Einsichten existiert nun und wir wollen schauen, wie wir dies so dokumentieren, dass es auch für eine Weitergabe geeignet ist.
Da es mir wichtig ist, die negativen und positiven „Lessons learnt“ auch wieder an die Organisationen weiterzugeben, die Menschenrechtsaktivist*innen unterstützen, werde ich mich in den kommenden Wochen an eine Systematisierung machen und weitere Einsichten und Ideen hierzu sammeln.
#4 Creative Coping & Inspiration: Photographie-Workshop bei Gideon Mendel
Ende Juli konnte ich am Workshop „Memory and Materiality“ des britisch- südafrikanischen Fotografen Gideon Mendel teilnehmen. An zwei Tagen ging es vor allem um „wie können wir Erinnerungen und Erinnerungsstücke fotografisch aktivieren?“ Für mich ideal, um die ersten Schritte meiner kreativen Aufarbeitung der Türkeiinhaftierung zu gehen. Dies insbesondere, da Gideon ein alter Freund von mir ist und mir die zwei Tage mit viel Inspiration und offener konstruktiver Kritik zur Seite stand!
Hier seht Ihr die ersten Ergebnisse von der Abschlusspräsentation des Workshops im Blog
Auch habe ich in den vergangenen Wochen mehrere Treffen mit Menschen aus dem Filmbereich gehabt, um an den Ideen und Konzepten für die zwei Dokumentarfilmideen zu arbeiten. Wahrscheinlich wird es einen eher konzeptionell-erfahrungsbasierten Interviewfilm entlang der Fragestellung „Was hat es mit Dir / Euch gemacht, dass ich im Gefängnis war?“ und in einer zweiten Filmidee soll es um eine dokumentarisch-animierte Aufarbeitung meiner Gefängniserfahrungen, verknüpft mit den Geschichten von Erfahrungen anderer aus ganz anderen politischen Zusammenhängen (vor allem in Deutschland).
Und eine gute Perspektive für meine Vorhaben der „Kreativen Aufarbeitung“: Gemeinsam mit anderen wurde ich über einen unserer Anwälte angefragt, an der Kunstbiennale 2019 der BergenAssembly teilzunehmen. Dort werde ich voraussichtlich gemeinsam mit Magdalena Freudenschuss und auch alleine einiges präsentieren können, welches ich jetzt in der „Aufarbeiten-Zeit“ erstelle!
Hier geht es zur Website der BergenAssembly
Öffentlichkeitsarbeit: Marathon und Medienarbeit
Einladung zum Marathon “Run for RightsDefenders” am 16. September 2018 in Berlin: Wie einige von Euch sich vielleicht erinnern, lief ich im vergangenen Jahr ja den BerlinMarathon als „Halbmarathon“ in unserem Zelleninnenhof im Gefängnis in Silivri. Mir war es damals wichtig zu zeigen, dass sie uns politische Gefangene nicht einmal davon abhalten können, Marathon zu laufen und natürlich auch die Absurdität dieses Unterfangens, die „Langstrecke“ in Runden von 15 Metern zu laufen. Für dieses Jahr haben mir die Veranstaltenden des BerlinMarathons einen Freistart geschickt. Dieses Geschenk kann ich nun gemeinsam mit amnesty international in Berlin zu einer Solidaritätsaktion unter dem Titel „Run for Rightsdefenders“ umwandeln: Ich werde – hoffentlich nicht nur alleine – in einem improvisierten Zelleninnenhof in der Größe des Silivri-Hofes meine Runden drehen, dabei Interviews geben und mich mit Mitrennenden oder Mitlaufenden unterhalten. Dabei werden wir Unterschriften sammeln und auf die Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen weltweit aufmerksam machen und unsere Solidarität mit ihnen zeigen. Fühlt euch herzlich eingeladen, am 16. September am Potsdamer Platz mitzulaufen, vorbeizukommen. Also diesmal ausdrücklich: „Mitläufer*innen gesucht!“ Einzelheiten zu der Aktion werde ich hier auf dem Blog veröffentlichen!
Auch die Medienarbeit kam in den letzten Wochen nicht zu kurz: Ihr findet auf dem Blog sowohl Artikel und Videos, die über uns als auch die von oder mit uns gemacht wurden. Hinweisen mag ich vor allem auf die gemeinsamen Artikel, die ich kontinuierlich mit Magdalena Freudenschuss schreibe, wie den im Südlink: „Wenn Sorgearbeit zu Widerstand wird“.
Hier findet Ihr den Südlink-Artikel im Blog
Weitere Artikel im Blog über uns
Weitere Artikel im Blog von und mit uns
Zum Schluss möchte ich Euch noch einladen, mit mir auf eine Lesereise zu gehen: Doğan Akhanlı, ein Schriftsteller, der seit langem in Deutschland lebt und arbeitet, war im August 2017 in Granada im Urlaub erst festgenommen worden und durfte dann über Monate nicht ausreisen. Ausgelöst wurde dies durch einen internationalen Haftbefehl aus der Türkei. Sein Buch möchte ich Euch ans Herz legen: „Gefangen in Granada“. Ganz viele meiner Gefühle und auch Erfahrungen fand ich in diesem Buch und Gesprächen mit ihm wieder. Von ihm stammt auch die Idee der „Magie der Solidarität“, von der ich so viel von Euch im letzten Jahr und auch jetzt noch spüre. Seid herzlich auch zu einer seiner bewegenden Lesungen eingeladen!
Hier geht es zu Doğan Akhanlıs Homepage
Link zu seinen Lesungen
Mit vielen solidarischen und dankbaren Grüßen,
Euer
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