19. Februar 2019: Gericht vertagt Fortführung des Verfahrens auf den 3. April 2020

Alle erwarteten Urteilssprüche an diesem Tag. Nach knapp sieben Stunden Verteidigungsreden von uns #Istanbul10 und einem Teil unserer Anwält*innen entschied das Gericht jedoch, pünktlich Schluss zu machen und vertagte die Sitzung auf den 3. April. Immerhin noch dieses Jahr. Inwieweit dies mit den Ereignissen des Vortages zu tun hat, ist Ansichtssache.

Am 18.2. waren Osman Kavala und andere im sogenannten Gezi-Prozess freigesprochen worden. Osman Kavala war der einzige der Gruppe, der noch inhaftiert war und sollte dementsprechend freigelassen werden. Leider wurde jedoch sofort ein neuer Haftbefehl gegen ihn aus einem anderen, ebenso unbegründeten Anklagefall heraus erlassen. So warteten seine Familie und Unterstützer*innen vergeblich auf ihn vor dem Gefängnis. Nach einer Nacht im Polizeigewahrsam wurde er mit dem neuen Haftbefehl wieder nach Silivri verbracht: Psychische Folter. Hinzu kommt, dass umgehend gegen die Richter*innen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde; der lange Arm der Politik hinein in die Justiz.

Die Verteidigungsreden, die von den anwesenden #Istanbul10 vorgebracht wurden, waren sehr stark und beeindruckend. Hier ein paar Zitate:

Ilknur Üstün:

„No progress can be achieved without the work of human rights defenders. Defending human rights cannot be criminalised. Not here and not anywhere in the world. The prosecutor’s request for my acquittal is correct. We are all in the same position, we must be all acquitted.“ („Ohne Menschenrechtsverteidiger*innen ist kein Fortschritt zu erreichen. Menschenrechte zu verteidigen kann nicht kriminalisiert werden. Nicht hier und nirgendwo auf der Welt. Das Verlangen des Staasanwaltes nach meinem Freispruch ist richtig. Wir sind alle in der gleichen Position, wir müssen alle freigesprochen werden.“)

Günal Kurşun:

Punishment is to bring us into line. I am sorry to say whether I am acquitted or convicted I will continue my work as a human rights defender. I request all of our acquittals. (Bestrafung soll uns auf Linie bringen. Es tut mir leid, aber ob ich freigesprochen oder verurteilt werde, ich werde meine Arbeit als Menschenrechtsverteidiger weiter machen. Ich verlange Freispruch für uns alle. )

We are human rights defenders. We don’t do this for material gratification. We do it to defend people’s rights. We are honourable people. By attempting to criminalise us, our reputation is being damaged. This is really painful to us. (Wir sind Menschenrechtsverteidiger*innen. Wir machen das nicht für materielle Bereicherung. Wir tun dies, um die Rechte von Menschen zu verteidigen. Durch den Versuch, uns zu kriminalisieren wird unser Ruf beschädigt. Das ist wirklich schmerzhaft für uns.)

Vielen Dank an Milena Buyum von amnesty international für die Twitterübersetzungen aus dem Gerichtssaal!

Durch die Vertagung sagte ich mit amnesty international in Berlin unsere angesetzte Pressekonferenz wieder ab und auch die sonstige Medienarbeit erübrigte sich. Nun geht es für uns darum, die kommende Zeit bis zum 3. April weiter in diesem Schwebezustand zu verbringen, der extrem Kräftezehrend ist – insbesondere für die #Istanbul10 in der Türkei. Gemeinsam mit unseren Anwält*innen – die von dieser Verzögerung auch genervt sind und neue Kraft aufbringen müssen – bereiten wir uns jetzt auf die kommende Sitzung vor.

Vielen Dank für die viele Solidarität, die uns in so vielfältiger Weise wieder stärkte!

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