Als ich die Urteile am 3. Juli 2020 fast live aus dem Gerichtssaal per Twitter und Whatsapp las, war ich bestürzt und wütend: Freispruch für sieben von uns #Istanbul10, aber Haftstrafen von 6 Jahren und drei Monaten für Taner Kılıç sowie ein Jahr und 13 Monate (welche Justizlogik) für Idıl Eser, Günal Kursun und Özlem Dalkiran. Freude über meinen eigenen Freispruch kam nicht auf und mag bis heute nicht aufkommen. Aber mit zwei Nächten Schlaf und viel Zeit an der frischen Luft, stellt sich bei mir zumindest Erleichterung ein, dass wir für sieben von uns #Istanbul 10 und Taner Kılıç nicht mehr kämpfen brauchen.
Und eine große Dankbarkeit wächst weiter in mir: Für alle Solidaritätsaktionen und -gebete, für all die kleinen und großen Unterstützungen, die offenen Türen und Herzen, für die gemeinsame Kraft.
Diese kann jetzt noch stärker und anders in Solidarität zu den vier zu Unrecht Verurteilten fließen.
Dabei ist mir die aktuelle Kampagne „Was hat Osman Kavala getan?“ (What did Kavala do?) eine große Inspiration, in der wir mit kurzen Videospots deutlich machen, wer Osman Kavala ist – und damit, wie unsinnig seine erneute Verhaftung und Beschuldigung ist –, und unsere Solidarität öffentlich und kreativ ausdrücken können (https://artistsunitedforosmankavala.com/ und auf Instagram: @whatdidkavalado). Osman Kavala, der inzwischen fast 1000 Tage in Haft sitzt, hat mehrfach betont, wie doll ihn die Kampage stärkt und stützt.
Auch wenn Taner, Idıl, Günal und Özlem bislang zum Glück die Haftstrafe nicht antreten müssen – und hoffentlich bleibt das auch weiterhin so –, werden wir in den kommenden Wochen verschiedene Strategien festlegen, wie die Hafturteile mit juristischen aber auch öffentlichkeitswirksamen Wegen solidarisch verhindert werden können.
Hier findet Ihr die gemeinsame Presseerklärung von Amnesty International und mir.