NEWSLETTER #05 | Januar – März 2019

Liebe Unterstützer*innen!
Jetzt habt Ihr lange nichts mehr von mir gelesen… dabei ist viel passiert in den letzten Monaten. An Veranstaltungen und Medienarbeit, Weiterentwicklungen beim preparing4prison-Guide und dem Kreativen Verarbeiten / Creative Coping. Gleichzeitig geht der Prozess gegen uns #Istanbul10 weiter und damit auch die Anspannung und Vorsicht.
Die finanzielle Unterstützung des vergangenen Jahres hatte ich nicht aufgebraucht und so trägt sie mich und tragt Ihr mich auch weitere in diesem Jahr. Weiterhin vielen Dank dafür!
Eine Veranstaltung in Berlin möchte ich Euch gleich am Anfang ans Herz legen: Am 28.3. machen Albrecht Gündel-vom Hofe und ich ein Erzählkonzert in der Trinitatiskirche in Charlottenburg: Herzliche Einladung hierzu und auch zum Lesen dieses Newsletters!


#1 ISTANBUL10

21. März 2019 | Der Prozess geht weiter
Morgen, am 21. März, ist es wieder so weit: Ein erneuter Verhandlungstag im Prozess gegen uns #Istanbul10 und Taner Kılıç. Im November wurde der Prozess vertagt, um noch die digitalen Gutachten zu konfiszierten Medien der Hausdurchsuchungen bei Teilen der türkischen #Istanbul10 einzubeziehen – ihre verzweifelte Suche nach Beweisen für Anklagen, die nicht zu halten sind. Unsere Anwält*innen erwarten maximal das Abschlussplädoyer der Staatsanwaltschaft inklusive Strafforderungen. Dann würde es noch mindestens einen weiteren Termin geben, der frühestens im Sommer 2019 erwartet wird – und vielleicht einen weiteren bis zur Urteilsverkündung. Und das Urteil kann von Freispruch bis zur Maximalstrafe von wohl 15 Jahren Haft für uns gehen. Beim momentanen politisch-juristischen Klima in der Türkei ist dies durchaus beunruhigend. Immerhin gab es mit der Freilassung von Adıl Demirçi (unter Justizkontrolle in Istanbul) am 14. Februar einen positiven Schritt in unserem Umfeld. Wir freuten uns doll mit ihm und seiner Familie, mit der wir in Kontakt stehen. Aktuelles zu unserem Prozess findet Ihr hier.


#2 PREPARING4PRISON – Guide

Nachdem Magdalena und ich erst einmal vor allem unsere Einsichten aufgeschrieben hatten, haben wir in den vergangenen Wochen Fragen für (ehemalige) Gefangene, deren Angehörige, für Anwält*innen und auch für Unterstützer*innen entwickelt und an die geschickt, die uns zugesagt hatten, am p4p-Guide mitzuarbeiten. Einzelne Rückmeldungen haben wir schon und freuen uns auf kommende, um die spannenden Einsichten und Erfahrungen der Anderen mit einarbeiten zu können!
Der p4p-Guide ist auch Teil unserer Beteiligung an der BergenAssembly. Dort werden wir dann hoffentlich nicht nur den „Teaser“ und die Website vorstellen können, sondern wir wollen uns vor allem auch mit Aktivist*innen in und um Bergen treffen und diskutieren. Dabei ist es uns wichtig, zu schauen, inwiefern die Inhalte und Formate des p4p-Guides auch für sie nutzbar sind und ob sie weitere Erfahrungen haben, die wir hinzufügen und damit mit Anderen teilen können. Spannend wird auch das Artwork, also die grafische Gestaltung des Teasers und der Website. Hierzu bin ich schon mit Grafiker*innen im Gespräch, um es möglichst treffend, verständlich und kreativ gestalten zu können. Was die Website angeht, werden wir sie vor allem für das Lesen am Smartphone optimieren, um die Zugangsschwelle möglichst niedrig zu halten.


#3 AUFARBEITEN DES GELERNTEN VON UNS #ISTANBUL10 UND KRISENTEAM

Auf einer ganz Anderen Ebene konnte ich in den letzten Tagen mein und unser Erfahrungswissen einspeisen: Ich habe an der Überarbeitung des DFAK mitgewirkt. Das DFAK? Das Digital First Aid Kit (Digitaler Erste-Hilfe-Kasten) gibt es seit 2014. Jetzt arbeiten wir an der Überarbeitung und dafür wird es auch einen Teil zu „Jemand, die/den ich kenne, wurde verhaftet“ geben. Hier geht es vor allem um die Auswirkungen und Folgen im Bereich der digitalen Sicherheit für die/den Verhafteten aber auch auf die Angehörigen und Kolleg*innen. Gleichzeitig gibt es aber auch Hinweise und Anregungen zur emotionalen Seite des Ganzen. Die drei Tage Schreiben – zum Teil gemeinsam mit Kolleg*innen – waren sehr gut aber auch sehr anstrengend. Die alte Version des DFAK findet Ihr unter anderem hier. Und sobald die neue Version online ist, teile ich Euch das mit. Was mich auch besonders motivierte, daran mitzuarbeiten, war, dass ich damit zum einen unsere Erfahrungen gleich an die Mitschreibenden und darüber auch an ihre Organisationen mitgeben konnte, und zum anderen, dass es auch ein Kapitel für den p4p-Guide werden wird.


#4 CREATIVE COPING & INSPIRATION

Fotostrecke zu Shrinking Spaces | Jahresbericht der Stiftung Nord-Süd-Brücken
Im Jahresbericht 2017 der Stiftung Nord-Süd-Brücken hatte ich die Gelegenheit, aus meinem Fotoarchiv Bilder zum Thema „Widening Spaces“ auszuwählen. Für mich spannend, wie meine Bilder aus verschiedenen Jahren und von sehr verschiedenen Orten mit den Inhalten der Stiftungsarbeit und der von ihr geförderten Organisationen in Verbindung treten. Hier gehts zum Blogpost mit dem Download aller Bildseiten des Jahresberichts.
Weitaus wichtiger sind jedoch zwei „Zufallsbegegnungen“, die mich sowohl für das Hängematten- als auch für das Dokumentarfilmprojekt voranbringen werden:
Über Freund*innen habe ich eine Künstlerin gefunden, die schon in Gefängnissen Hängematten mit den Insassen geknüpft hat (die dann im öffentlichen Raum genutzt wurden). Sie wird mir beibringen, wie ich stabile Hängematten knüpfen kann und was ich für die Materialien etc. zu beachten habe. Ich freue mich auf die ersten „Privat-Workshops“ in den kommenden Wochen.
Und auch für das Dokumentarfilmprojekt bin ich auf eine Filmemacherin gestoßen (worden), die Erfahrungen sowohl mit der Arbeit unter Shrinking Spaces, als auch mit der Gestaltung und Umsetzung von animierten Dokumentarfilmen hat. Sie wird mich in mehreren Workshops im Entscheidungsprozess begleiten und beraten, welchen Stil die Animation haben kann und wie der weitere Produktionsprozess hierfür aussehen wird. Eventuell könnte sie auch die Animation übernehmen.

Beide Fortschritte passen gut dazu, dass wir, Magdalena und ich, Anfang April zum ersten Planungs- und Kennenlerntreffen für die BergenAssembly nach Norwegen fliegen werden (im September zu den Hauptaktivitäten werden wir dann umweltfreundlicher unterwegs sein). Ich bin gespannt, was es dort an Verknüpfungen und Inspirationen mit den anderen Kunstschaffenden geben wird.

Aller guten Dinge sind 3: 3. Aufruf | Schickt mir Eure Solidaritätsbotschaften und Aktionen vom letzten Jahr!
Ja, ich weiß, einige von Euch haben schon reagiert…. aber… und … ich mag die anderen von Euch nochmals bitten (3. und letztes Mal ;-)): Schickt mir Eure Solidaritätsaktionen oder Hinweise zu anderen, von denen Ihr wisst! Gerne per Email oder auch per Post! Hier geht es zum Aufruf im Blog.


ÖFFENTLICHKEITSARBEIT & VERANSTALTUNGEN

Laudatio auf EIRENE | Dokumentation des Friedenspreises der Evangelischen Kirche Deutschlands jetzt verfügbar
Im vergangenen Oktober war ich eingeladen, die Laudatio des Friedenspreises der EKD auf den Friedensdienst EIRENE zu halten. Da einige nachgefragt hatten: Die Dokumentation ist jetzt erschienen. Ihr findet die Laudatio als PDF-Download im Blog.

Die Magie der Solidarität | Gemeinsame Veranstaltung mit Doğan Akhanlı im Januar

Ungefähr 100 Menschen kamen zu unserer Veranstaltung „Die Magie der Solidarität | Gespräch und Lesung“ Ende Januar in die Gethsemanekirche. Obwohl der riesige Raum nur zum Teil die Vertrautheit und Intimität erlaubte, die unsere Inhalte gerne gehabt hätten, war die Veranstaltung für uns ein voller Erfolg. Hier findet Ihr die vollständige Dokumentation mit Bildern und Tonaufnahmen. Und ich möchte Euch auch die solidarischer Unterstützung für Adıl Demirçi und Hozan Canê mit Briefen ans Herz legen. Im Blogpost findet Ihr die Adresse für Hozan, die immer noch in Haft für die Wiederaufnahme ihres Prozesses kämpft.

Friedensfilmpreis der Berlinale an brasilianischen Film „Espero tua (re)volta“ | Juryarbeit im zweiten Jahr
Wie im vergangenen Jahr war ich Teil der Jury für den Friedensfilmpreis der Berlinale 2019. Ein Geschenk, so viele tolle Filme schauen und mit meinen Mitjurymitgliedern Andreas Höfer, Helgard Gammert, Nora Al-Badri, Jean Peters, Lena Müller und Borbála Nagy diskutieren zu können!
Nicht leicht fiel uns die Entscheidung zwischen den drei Finalisten, so sprachen wir uns im Endeffekt für „Espero tua (re)volta | Your Turn“ als Gewinner aus. Die beiden Filme „Midnight Traveller“ und „Sistéme K“ erhielten lobende Erwähnungen. Hier geht es zum Blogpost mit unserer Begründung und der genialen Laudatio. Herzlichen Glückwunsch an Eliza Capai und ihr Team! Und alle drei Filme kann ich Euch nur wärmstens ans Herz legen!

Einladung 28.3.2019 Trinitatiskirche | Mit Solidarität für Menschenrechte – ein Erzählkonzert

Am Donnerstag, 28. März 2019 um 19 Uhr berichte ich in einem Erzählkonzert „Mit Solidarität für Menschenrechte“ in der Charlottenburger Trinitatiskirche über die Haftzeit in der Türkei, meine Erlebnisse in türkischen Gefängnissen und wie wir mit dem Unrecht umgehen konnten.
Jazz-Pianist Albrecht Gündel – vom Hofe, ein enger Freund von mir, musiziert an diesem Abend. Der Dozent für Mathematik an der TU-Berlin gab während meiner Inhaftierung mehrere Solidaritätskonzerte in Berlin. Mit zwei weiteren Musikern spielt er in der Trinitatiskirche Jazz-Arrangements von Chorälen und Liedern der Bekennenden Kirche aus diesen Konzerten und Lieder, die für mich in der Haftzeit eine besondere Bedeutung hatten.
An diesem Abend treffen aktuelle Gedanken, Texte und Lieder von uns zur Kraft von Solidarität und Menschenrechtsarbeit aufeinander – auch in Solidarität mit immer noch inhaftierten Musiker*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Der Eintritt ist kostenfrei.

Mit dieser Einladung endet dieser fünfte Newsletter. Ich hoffe, dass ich Euch etwas inspirieren und auf dem Laufenden halten konnte.
Mit vielen solidarischen und dankbaren Grüßen,

Euer

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