Newsletter #03 | November 2018

Liebe Unterstützer*innen!

Jetzt ist schon wieder ein guter Monat seit dem letzten Newsletter verstrichen und es ist einiges passiert: Einiges lauter, wie der Prozesstermin am 7. November oder die Origami-Spray-Aktion, anderes leiser, wie die Fortschritte bei den verschiedenen Creative-Coping-Vorhaben. Ich freue mich, in so vielen verschiedenen Bereichen mit Euch direkt und indirekt unterwegs zu sein!

#1 ISTANBUL10

Letzte Verhandlung vom 7. November 2018 | Neue Verhandlung am 21. März 2019

Am vergangenen Mittwoch, den 7.November, fand eine erneute Gerichtsverhandlung für uns #Istanbul10 und Taner Kılıç statt. Es war die kürzeste Verhandlung, die wir bislang hatten: In nicht einmal einer halben Stunde entschieden die zum Teil neuen Richter (und neuer Staatsanwalt), dass

  • auf das Gutachten der CyberCrime-Einheit der Ermittlungsbehörden zu warten ist
  • der nächste Verhandlungstermin am 21. März 2018 stattfindet
  • Taner Kılıçs Ausreisesperre nicht aufgehoben wird
  • Taner Kılıç bei den zukünftigen Verhandlungstagen nicht mehr anwesend sein muss.

Damit geht #Istanbul10 auch 2019 weiter und das Verfahren wird mindestens noch zwei Verhandlungstermine andauern. Das kostet uns viele weitere Nerven und auch finanzielle Ressourcen – wie gut, dass wir aktuell über die MediaLegalDefenseInitiative hierin unterstützt werden! Hier geht es zur Chronologie des Verfahrens gegen uns #Istanbul10.

#2 PREPARING4PRISON – Guide

Zur Zeit arbeiten wir an den Fragen und den konkreten Schritten, um in den kommenden Monaten die unterschiedlichen Erfahrungen von (ehemaligen) politischen Gefangenen, ihren Familien und Unterstützungsgruppen und Organisationen zusammenzutragen, zu strukturieren und dann zu schauen, ob die angedachten Veröffentlichungsformate noch stimmig sind. Dabei knabbern wir vor allem auch an der Gratwanderung, was eigentlich wirklich „veröffentlicht“ werden kann oder was eher nicht irgendwo aufgeschrieben werden sollte, weil es konkretes Widerstandswissen ist und mit Veröffentlichung unwirksam werden würde.

#3 AUFARBEITEN DES GELERNTEN VON UNS ISTANBUL10 UND KRISENTEAM

Hier bin ich leider seit dem letzten Newsletter nicht weitergekommen, hoffe aber, noch vor Weihnachten konkretere Ideen zu haben, in welchen Formaten wir unsere Erfahrungen nutzbar machen können.

#4 CREATIVE COPING & INSPIRATION

Aufruf zum Mitmachen | Wer weiß, wie mensch eine Hängematte knotet oder flechtet?
Als Teil unserer Beteiligung an der BergenAssembly plane ich die Gestaltung einer Hängematte, die aus Bändern oder Strängen der Solidarität besteht: „Solidarität trägt (dich)“.
Dazu will ich die verschiedenen Solidaritätsbotschaften und Aktivititäten, die es im vergangenen Jahr gab, auf Stoff ausdrucken und in Streifen geschnitten zu einer Hängematte verflechten oder verknoten. Leider habe ich zwar im Gefängnis viel geflochten, aber bis zu einer Hängematte bin ich nicht gekommen… daher jetzt meine Frage: Kennt Ihr jemanden die schon einmal eine Hängematte geknotet oder geflochten hat? Oder etwa Ihr selbst? Dann meldet Euch bitte mit Eurem Wissen bei mir: Ich mag lernen, wie es geht.
Die Hängematte wird nur eine Seite der Solidaritätsinstallation sein. Magdalena wird einen zweiten Teil aus den Solidaritätssträngen bearbeiten, der auch die Schwierigkeiten und Herausforderungen mit Solidarität beleuchtet.  Hier geht es zum Aufruf im Blog.

Aufruf | Schickt mir Eure Solidaritätsbotschaften und Aktionen vom letzten Jahr!

Viele von Euch haben selbst Solidaritätsaktionen für mich, meine Famile, die anderen #Istanbul10 gestartet, unterstützt, mitbekommen. Haben Briefe geschrieben, an Fürbittandachten teilgenommen, Banner aufgehängt, Konzerte gespielt und gehört und vieles andere!
Vieles von dem habe ich wohl gespürt, aber nicht 1:1 mitbekommen. Das möchte ich gerne ändern! Schickt mir Kopien oder Scans von Euren Briefen (und einige viele habe ich schon – DANKE!), Fotos von Euren Aktionen oder Artikeln… Was auch immer Ihr mit mir teilen mögt und könnt, ist willkommen!
Was ich damit machen will? Zum Einen mag ich es wahrnehmen und würdigen! Zum anderen arbeite ich an einer Dokumentation der verschiedenen kleinen und großen Solidaritätsaktionen, um sie in unterschiedlichen Formen als „Tracks of Solidarity“ sichtbar zu machen. Dazu gehört zum einen eine Installation auf der BergenAssembly im nächsten Jahr: Wie Ihr aus anderen Blogbeiträgen wisst, will ich aus den druckbaren Solidaritätsbekundungen eine Hängematte flechten und knoten, in der Besucher*innen das „Tragende“ von Solidarität erfahren können, indem sie sich in diese Hängematte legen. Zum anderen plane ich eine Art Zeitleiste, die die überwältigenden Solidaritätsaktionen parallel zu den Geschehnissen im Gefängnis, aber auch auf politischer Ebene, wirtschaftlicher Ebene etc. zeigt. In welchem Format das genau geschehen kann, das konzipiere ich gerade noch.
So schickt mir Eure Solidaritätsaktionen oder Hinweise zu anderen, von denen Ihr wisst! Gerne per Email oder auch per Post! Hier geht es zum Aufruf im Blog.

Gefängnis-Geräusch-Geschichte #01

Im Blog könnt Ihr seit einigen Tagen nicht nur lesen, sondern nun auch hören: In unregelmäßigen Abständen werde ich dort Gefängnis-Geräusch-Geschichten einstellen.
Die Idee zu den Gefängnis-Geräusch-Geschichten entwickelte ich gemeinsam mit Ruben Kurschat, der mit Audio-Geschichten und -Guides viel Erfahrung hat und mich (auch) hierin unterstützt. Vielen Dank an Dich, Ruben!
Im Gefängnis kündigt sich (fast) alles erst über Geräusche an, bevor es irgendwie sichtbar wird. Schritte oder Stimmen auf dem Gang, Schlüssel im Türschloss. Positiv gesehen, sind meine Ohren dadurch wesentlich sensibler geworden. Leider gibt es auch die negative Nebenwirkung, dass ich viel schneller in „Alarmbereitschaft“ bin und auch die Differenzierung von Geräuschen in Menschenmengen mir viel schwerer fällt.
Nun will ich ein paar Geräusche vorstellen, die für mich wesentlich waren und im Alltag hier doch immer wieder in ähnlicher Form auftauchen. Lasst Eure Phantasie spielen und hört mit mir diesen Geräuschgeschichten zu! Die erste Geräuschgeschichte findet Ihr gleich hier im Blog. Ich bin gespannt auf Euer Feedback!

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT & VERANSTALTUNGEN

Origami-Graffiti-Aktion auf dem Vaußhof: Tauben, Kraniche und Stacheldraht aus Sprayfarbe und Papier: das waren die Grundlagen für die schon länger vorbereitete Mitmachaktion auf dem Vausshof am Wochenende 20. und 21.10.2018.
Während Mika Springwald mit der Spraydose den Übergang von Stacheldraht zu Freiheit gestaltete, faltete ich gemeinsam mit den Besucher*innen des Apfelfests auf dem Vausshof Dutzende von Kranichen und Tauben als Symbole von Frieden und Menschenrechten.
Dank an Mika und den ganzen Vausshof für diese gelungene Aktion mit vielen tiefen Gesprächen zu meiner Haftzeit und der Situation von Menschenrechtsaktivist*innen weltweit rund um das Origami-Falten. Hier geht es zur Fotodokumentation der Aktion im Blog.

Dank ins Wendland für Solidaritäts-Yogawochende Ende Oktober
Die Yogalehrerin Elisabeth Hafner unterstützte meine Aufarbeiten-Zeit mit einem Yoga-Wochenende, dessen Teilnahmebeiträge sie mir spendet. Sie schrieb mir über das Wochenende:

„Das Wochenende war sehr gut, ich hatte sechs Anmeldungen, leider mußte eine Frau kurzfristig absagen, aber sie hat trotzdem das Geld überwiesen. Ich habe ihr dafür zugesichert, dass sie dafür ein anderes Yoga Wochenende kostenfrei mitmachen kann. So habe ich also das Wochenende mit fünf Teilnehmer/innen alle hier aus der Gegend gestaltet. Das war schon eine besondere Atmosphäre, denn in der Abgeschiedenheit unseres Hauses entfaltet der Yoga-Unterricht auf vielen Ebenen seine Wirkung, was sich an diesem Wochenende in sehr persönlichen und tiefen und sich gegenseitig ermutigenden Gesprächen unter den Teilnehmer/innen wieder gezeigt hat.
Liebe Grüße aus dem Wendland, dem Land in dem sich eben vieles wendet.
Deine Elisabeth“

Doch Elisabeths Unterstützung geht noch weiter, so schickte sie mir einige Yogaübungen, die hilfreich für den preparing4prison-Guide sein werden! Vielen Dank an Elisabeth und alle Teilnehmenden!

Interview in Publik Forum | „Ich habe im Gefängnis gesungen“

Bettina Röder von Publik Forum interviewte mich für die Reihe „Das Leib-und-Seele-Gespräch“ im Oktober. Jetzt ist es erschienen. Hier geht es zum Interview online (leider hinter einer Paywall ;-/ – wer es gerne lesen mag, aber keinen Zugang dort hat, melde sich bitte bei mir, ich lasse es Euch als PDF zukommen 😉

So, das war der Newsletter #03. Pendelnd zwischen den verschiedenen Ebenen des Aufarbeitens merke ich, dass diese Schritte immer wieder viel Energie verlangen. So komme ich langsamer voran, als ich dachte, aber es geht: Schritt für Schritt. Vielen Dank für Eure Unterstützung hierbei, die mir diesen langen Atem ermöglicht!
Bitte meldet Euch, wenn Ihr Fragen zum Newsletter oder dem Aufarbeiten-Prozess habt oder weitere Ideen für die „Aufarbeiten-Zeit“. Und bitte gebt ihn auch weiter, wenn Euch danach ist!
Mit vielen nachdenklichen, solidarischen und dankbaren Grüßen,
Euer

 

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